Puducherry

Als wir in Puducherry aus dem Bus steigen, weht uns warme Meeresluft entgegen. Irgendwo Richtung Südost müsste sich das Park Guesthouse befinden – wie weit entfernt ist unklar.

Wie bei jeder Ankunft an einem neuen Ort, ist das erste Tuk Tuk zum Guesthouse das Teuerste. Die Fahrer schildern den Preis als bestes Angebot, unser oft eher zaghaftes Handeln gibt ihnen Grund, unser Gegenangebot mit einem heftigen Kopfschütteln abzulehnen, unmöglich, unvorstellbar. Das Kopfschütteln ist in Indien eine Kunst und eine besondere Art der Kommunikation. Trotz bewundernder Beobachtung lässt es sich nur schwer nachahmen. Die Deutung bewegt sich zwischen ja, vielleicht, nein, unmöglich oder einem zaghaften Hallo. Das zu erkennen braucht etwas Übung.

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reise-ansichten Park Guesthouse Ashram

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Als wir unseren Fahrpreis bezahlt haben und im Park Guesthouse des Aurobindo Ashrams nach einem Zimmer fragen, haben wir Glück; wir können einziehen. An der Rezeption läuft das Anmeldeprocedere unter den wachen Augen der Gründer des Ashrams, Sri Aurobindo und seiner Weggefährtin Mira Alfassa, die nur „the Mother“ genannt wurde. Ein großes Foto von beiden hängt rechts neben dem Eingang. Die Menschen an der Rezeption scheinen sehr den genauen Regeln ergeben zu sein. Auch uns betreffen einige Regeln, im Ashram darf kein Fleisch gegessen und kein Alkohol getrunken werden, es gibt Hinweise wie der Müll sinnvoll zu sortieren ist und genaue Essenszeiten und um 22.30 Uhr ist „Licht aus!“.

Das Guesthouse liegt direkt am Meer, man hört, riecht und sieht es. Am besten im Meditationsgarten, den man barfuß betreten sollte und dem Dining Room, durch dessen offene Fenster man das Meer förmlich anfassen kann. Auf dem Weg zu den Zimmern wird man von Aurobindo Zitaten begleitet. Die Terrassen der unteren Zimmer haben vor dem Eingang kleine Zen Gärten, die Gestaltung soll die Wesenszüge, auf die die beiden Ashram Gründer Wert legen, verdeutlichen; Bescheidenheit, Ausgeglichenheit, Toleranz, Zufriedenheit, Empathie…

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reise-ansichten Puducherry Aurobindo Ashram

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Verlässt man das Guesthouse Richtung Norden liegt die weiße Stadt, das alte französische Viertel mit seinem besonderen Architekturmix und seinem rechtwinkligen Straßenbild vor einem. Die Franzosen haben ihren Kolonialstil mitgebracht, Vorbild waren die französischen Stadtvillen und aus Afrika ihr Wissen um das Leben in tropischen Gebieten. Die Häuser liegen verborgen hinter hohen Mauern, in üppig grünen Gärten mit alten Bäumen. Eine Fassadenseite trifft auf die Straße, der Eingang zum Haus liegt hinter schön gearbeiteten Eingangstoren, die Dächer sind flach und verfügen über Dachterrassen. In Terrakotta Töpfen blüht ein Meer von Sommerblumen, die Eingangstore sind von Bougainville umwachsen, am Ende der nach Osten verlaufenden Querstraßen schimmert das Meer.

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Als 1926 Sri Aurobindo und Mira Alfassa ihren Ashram gründeten, zog nach und nach die klassische Moderne in Puducherry ein. Die Ashram Gebäude wirken dezent in ihren schlichten, geradlinigen Formen in sympathischem grau weiß und lassen den kolonialen als auch den tamilischen Häusern ihren Charme.
Das Wirken des Ashrams begann mit 24 Bewohnern aber schnell sammelte Aurobindos Persönlichkeit und seine Lehre vom integralen Yoga Anhänger und die Zahl der Ashram Bewohner stieg. Als Sri Aurobindo sich weitgehend aus dem Ashram zurück zog, um sich ganz der Entwicklung seines integralen Yoga Weges zu widmen, übernahm Mirra Alfassa die Leitung des Ashrams.

Heute leben und arbeiten in den dazu gehörenden Schulen, Krankenhäusern, Werkstätten, Läden, einem Restaurant und einer Bibliothek 1500 Ashram Mitglieder. Ihr Leben ist geprägt vom integralen Yoga, der eine ganzheitliche Entwicklung bedeutet. Er wird auch ein Yoga der Werke genannt, der mitten im Hier und Jetzt stattfindet und keinen Rückzug oder geschützten Raum verlangt. Der Ashram bietet den Mitgliedern die Möglichkeit, ihre Entwicklung in der Gemeinschaft zu erleben. Seit 1953 gibt es ein Education Center. Die Ashram Schule bietet eine Betreuung und Ausbildung vom Kindergarten bis zum Abitur, danach noch einige Studiensemestern. Möglich ist das Studium von Geistes- und Naturwissenschaften, Sprachen, Kunst, Handwerk, Musik, Malerei, Schauspiel und Tanz. Die Schüler können sich ebenso ganzheitlich nach ihren Fähigkeiten entwickeln. Aurobindos Vorstellung, durch das Education Center mehr Menschlichkeit und ein göttliches Bewusstsein im Alltag zu etablieren, beeindruckt sehr.

An jedem Abend findet eine gemeinsame Meditation für Ashram Bewohner und Gäste statt. Um den Ashram und die Lehre Aurobindos mitzuerleben und besser kennenzulernen, braucht es einen längeren Aufenthalt. Wir konnten leider nur einen kurzen Einblick gewinnen.

Bewegt man sich weiter durch Puducherrys grüne Alleen, vorbei am schönen Café Artika, das sich in einer alten Kolonialvilla mit grünem Innenhof versteckt und sehr von der besonderen Streetart neben der Marienstatur lebt, trifft man irgendwann auf Lakshmi, den Tempelelefanten. Der Sri Manakula Vinayagar Tempel ist Ganesha gewidmet, dem Sohn Shivas, der in einem irrtümlich geführten Kampf mit seinem Vater seinen Kopf verlor und als der Irrtum deutlich wird, einen Elefantenkopf bekam. Ganesha ist der Gott des Glückes, der Hindernisse aus dem Weg räumt und für persönlichen und beruflichen Erfolgt sorgt. Hier trifft man also Lakshmi, den Tempelelefanten, der für wenige Rupies die Gläubigen mit seinem Rüssel segnet, er ist dabei wunderbar feinfühlig und nähert sich ohne Angst allen Vorbeiziehenden. Er wird mit Früchten belohnt, fasziniert beobachtet und ein bisschen angehimmelt. Lakshmi, er, der zutiefst männliche Elefant mit dem berühmten weiblichen Namen (Lakshmi, die Frau Vishnus, des Gottes der Liebe und des Bewahrens), betrachtet aufmerksam die Gläubigen. Als er eine ganze Familie segnet, übersieht er dabei nicht das kleine Kind auf dem Arm der Mutter. Lakshmi wird von seinem Mahout zwischen seinen Arbeitszeiten im Tempel, am Morgen und am Abend, spazieren geführt. Er wirkt mit seiner Aufgabe zufrieden, ob das an dem auf seinen Kopf gezeichneten „Om“ liegt oder daran, das er wirklich gut lebt, erfahren wir nicht.

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reise-ansichten Puducherry Segnung Tempelelefant

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Puducherry ist eine faszinierende Stadt mit vielen verschiedenen Lebensformen, die alle dicht nebeneinander existieren. Wem das nicht reicht, dem sei noch eine Entdeckung in 12 km Entfernung empfohlen: Auroville, die Zukunftsstadt, Ausdruck einer spiritualisierten Gesellschaft. Seit 1968 gibt es diese besondere Lebensgemeinschaft. Um sie zu erfassen und zu erleben sollte ein mehrwöchiges Zusammenleben und Mitarbeiten eingeplant werden. Erstaunen bis Begeisterung ist garantiert!

www.auroville.org

www.sriaurobindoashram.org

One thought on “Puducherry”

  1. Hallo ihr zwei,
    habe nach etwas längerer Zeit mal wieder eure Reiseberichte gelesen und es sehr genossen. Wieder sehr schön geschrieben und sehr anschaulich. Danke.
    Jetzt habt ihr eine Weile nichts mehr eingestellt. Vielleicht seid ihr gerade in Tibet?
    Lasst es euch gut gehen!
    Liebe Grüße von Katrin und Carsten

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